- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Belletristik (Roman/Krimi)
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VICTOR LODATO: „HONEY“
Honey ist 82, hat Stil, Dünkel und Geld. Seit sie nun wieder in ihrer Heimat New Jersey wohnt, erlebt sie mit dem charmanten Liebhaber Dominic einen echten Glücksfall für ihr Alter. Doch ausgerechnet bei einem Heiratsantrag beim Dinner im Separé segnet er das Zeitliche, noch bevor sie Ja sagen kann. Und damit beginnt „Honey“, der neue Roman von Erfolgsautor Victor Lodato. Mit dieser herrlich dekadenten, kapriziösen aber auch selbstbewussten Hauptfigur hat er eine einzigartige Heldin voller hinreißender Facetten geschaffen.
Honey heißt bürgerlich Ilaria Fasinga und stammt aus der in New Jersy ebenso geachteten wie gefürchteten Familie von Don Pietro – unverkennbar italienisch-amerikanische Mafia. Honey hatte sich allerdings trotz des Bannstrahls des strengen Vaters mit 17 Jahren den strikten Traditionen mit dem üblichen Schicksal von Eheschließung und Nachwuchs für den Clan entzogen.
In Honeys sarkastischen Rückblicken sinniert sie über ihren Weg zur erfolgreichen Kunstsachverständigen, erst in New York und dann Jahrzehnte in Los Angeles. Es waren mal wilde, mal auch harte Erfahrungen, und nie ließ sie sich von den zahlreichen Liebhabern festlegen.
In ihrem jetzigen Alter, das man ihr nicht unbedingt ansieht, ist sie zwar immer noch erstaunlich attraktiv und kleidet sich exklusiv. Andererseits hadert sie mit dem nächsten Geburtstag, zumal jetzt nach dem Hinscheiden Dominics. Vorerst lässt sie sich jedoch trotz wachsender Zerbrechlichkeit nicht unterkriegen.
Selbst aus einem Überfall, als ihr brutale Teenager ihren Lexus rauben, geht sie mit einem ungeahnten Gewinn hervor. Wie ihr allerdings erst später aufgeht, sorgt der junge Maler Nathan, der ihr nach dem Vorfall hilft und sie nach Hause bringt, sogar noch einmal für eine nie geglaubte Herzenserwärmung.
Andererseits muss sie mit zwei Problemen fertig werden, denen sie einfach nicht entgehen kann. Da ist zum Einen die neue Nachbarin, ein pummeliges Dummchen voller Macken, das sich als unentrinnbare Quasselstrippe erweist. Und von einem garstigen Boyfriend furchtbar schlecht behandelt wird.
Schwieriger ist jedoch die Nähe der Familie, der sie trotz der langen Abwesenheit nicht auszuweichen vermag. Auch die Nachkommen aus der Zeit, als sie ganzt weit weg war, pflegen die alten, patriarchalischen Verhaltensweisen mit gewohnter Selbstherrlichkeit.
Und Honey muss sich nicht nur aufdringlicher Neffen erwehren, denn sie weiß auch noch um einige Leichen, die vermutlich in Gärten beseitigt wurden. Tatsächlich geschen sogar noch einige heftige Dinge, doch während das alles wunderbar leichtfüßig daherkommt, wird es zugleich immer tiefgründiger.
Diese Tragikomödie lebt vor allem auch von den hinreißenden Dialogen, denen man anmerkt, dass Victor Lodato auch ein erfahrener Dramatiker ist. Andererseits sprüht dieser Roman vor köstlichen Metaphern und Redewendungen, die von genial bis knochentrocken und teils auch kurios reichen. Fazit: diese stolze Greisin offenbart als seltener Glücksfall einen literarischen Hochgenuss.
# Victor Lodato: Honey (aus dem Amerikanischen von Claudia Wenner); 463 Seiten; C. H. Beck Verlag, München; € 26
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)