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PRESLEY/KEAOUGH: „VON HIER INS UNGEWISSE“
Lisa Marie Presley (1968-2023) war die einzige Tochter von Elvis Presley und seiner Frau Priscilla. Über ihr seltsames und überwiegend wenig glückliches Leben hatte sie mit Vorarbeiten für eine Autobiografie begonnen, als sie im Januar 2023 überraschend an den Folgen einer Operation verstarb.
Nun sind diese Memoiren doch noch erschienen, denn die Sängerin hatte das meiste bereits auf Tonbänder aufgenommen und ihre älteste Tochter Riley Keough setzte sie als Buch um, zu dem sie etliche Passagen aus den eigenen Erinnerungen hinzufügte.
So firmieren Lisa Marie Presley und Riley Keough als Autorinnen für „Von hier bis ins Ungewisse“, eine ebenso ungewöhnliche wie schonungslose, teilweise aber auch schlicht seltsame Biografie. Manches wird hier klargestellt, was durch Yellow Press und selbsternannte Biografen oft recht eigenwillig dargestellt worden ist, und manches lässt durchaus staunen.
Lisa sagt an einer Stelle selbst, dass sie als Teenager „null Selbstbewusstsein“ hatte – was sich jedoch auch für den Rest ihres Leben offenbar nicht sonderlich gebessert hat, wie der weitere Lebenslauf zeigt. Als einziges, arg verwöhntes Kind des Superstars trug sie von Beginn an eine doppelte Hypothek.
Mutter Priscilla wollte eigentlich keine Schwangerschaft, um Elvis' ungeteilte Aufmerksamkeit nicht zu gefährden. So verwundert es nicht, dass dieses Mutter-Tochter-Verhältnis nie ein gutes wurde: „Ich ging ihr von Anfang an auf die Nerven und hatte immer das Gefühl, dass sie mich nicht wollte.“
Ihr vergötterter Vater aber hinterließ mindestens ebenso tiefe Narben auf ihrer Seele, denn sie erlebte Auswirkungen seines Verfalls insbesondere durch seine Tablettensucht schon als kleines Mädchen mit, wenn er wiederholt daneben war und zusammenbrach. Und sie war ganze neun Jahre alt, als sie ihn im Badezimmer liegend vorfand, soeben verstorben.
Sehr offen erzählt sie von der wilden Jugend, zwei Abtreibungen schon als Teenager und dann die große Bedeutung von Danny Keough. Der Musiker war ihr erster Ehemann, Vater der ersten beiden Kinder und der letzte Begleiter, als sie mit 54 Jahren sterbend ins Krankenhaus eingeliefert wurde.
Die Erinnerungen hetzen durch ein unstetes, von Wechselhaftigkeit und Exzessen durchzogenes Leben. Wobei die skurrilste Passage die vom Suizid von Sohn Ben Keough ist. Seinen Leichnam konservierte sie über 50 Tage in einem mit Trockeneis gekühlten offenen Sarg.
Weit weniger skurril ergibt sich ihre Darstellung der unter viel öffentlichem Kopfschütteln begleiteten Zeit mit Pop-Superstar Michael Jackson. Der hatte sich intensiv um sie bemüht. Tatsächlich bekennt sie: „Zwischen uns hat es einfach klick gemacht.“
Und sie stellt zweierlei klar: Michael gestand ihr, noch Jungfrau zu sein (ein Versuch von Pop-Ikone Madonna sei fehlgeschlagen). Im Übrigen sei ihr nie etwas von den behaupteten Kindesmissbräuchen bekannt geworden. Zugleich überrascht ihre Feststellung aus der Zeit nach der Eheschließung: „Ich war wirklich sehr glücklich. Ich war danach nie wieder so glücklich.“
In diesem Zusammenhang wie auch bezüglich ihres eigenen Suchtverhaltens muss übrigens ein großer Übersetzungsfehler richtiggestellt werden: es wird immer wieder von Drogenmissbrauch gesprochen, das originale Wort „drugs“ muss hier jedoch für Elvis, Michael Jackson und dann auch Lisa Marie Presley mit Medikamentenmissbrauch umschrieben werden.
Schließlich verfiel sie selbst ja spätestens nach der Kaiserschnittgeburt ihrer Zwillinge 2008 den Opioiden, wie sie und auch ihre Tochter berichten. Auffällig bleiben nun jedoch die großen Lücken, denn aus den folgenden zehn Jahren nach Jackson wie auch aus ihrer Karriere als Sängerin wird nur flüchtig erzählt.
Immerhin fallen in diese Zeiten eine verrückte Kurz-Ehe mit Filmstar Nicolas Cage wie auch drei durchaus erfolgreiche Musikalben. Und man muss leider sagen, dass Tochter Riley besonders über die letzten Jahre nicht nur von einem oft schrillen Leben mit Überfluss und Überdruss berichtet, sondern teils schlichtes Tralala aus Schickeria-Kreisen ausbreitet.
Und sie versteigt sich schließlich in solch dümmliche Phrasen wie „Sie war eine Figur der griechischen Tragödie“ und „Ich bin mir sicher, dass ich mir die beste Mutter der Welt ausgesucht (?!) habe.“
Mag diese Autobiografie der besonderen Art auch manch interessante Aspekte beleuchten, bleibt eine große Ungereimtheit: bei einem stolzen Preis von 28 Euro bietet dieses Buch ganze 240 Seiten und auch die Fotos sind nur schwarzweiß auf Normalpapier. Aber – im amerikanischen Original hat die Autobiografie 304 Seiten (bei nur 21 Dollar = knapp 20 Euro)! Was also ist hier „abhanden“ gekommen und warum?!
# Lisa Marie Presley/ Riley Keough: Von hier uns Ungewisse (aus dem Amerikanischen von Sylvia Bieker und Henriette Zeltner-Shane); 240 Seiten, div. SW-Abb.; Penguin Verlag, München; € 28
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)