- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Belletristik (Non-Fiction)
- Zugriffe: 212


DENIS SCHECK: „SCHECKS BESTSELLERBIBEL“
Er selbst weist die Bezeichnung als Literaturpapst zwar als unsinnig zurück, doch Denis Scheck ist genau das für den deutschsprachigen Literaturbetrieb. Und der kann stolz und froh sein über diesen klugen Büchernarren, der es sich mit messerscharfen Bewertungen in seiner „Druckfrisch“-Reihe im Fernsehen immer wieder auch erlaubt, missratene oder ärgerliche Werke im Wortsinne in die Tonne zu kloppen.
Nun legt der längst zum Kult gewordene Kritiker „Schecks Bestsellerbibel“ vor und sagt auch gleich, um was es dabei geht: „Schätze und Schund aus 20 Jahren“. Dabei bezieht er sich auf die SPIEGEL-Bestsellerlisten für Belletristik und Sachbücher im Zeitraum von November 2003 bis Februar 2023, nach deren Top-Ten er mit geschliffener Zunge aber auch genüsslich giftiger Grandezza auf einer Skala vom ärgerlichen Zeitfresser bis zu beglückenden Lebensbegleitern seine Urteile fällt.
Zum Einstieg jedoch – Bibel ist eben Bibel – gibt er den werten Lesern seine zehn Gebote zum Umgang mit Büchern mit auf den Weg. Skeptisch solle man lesen und mehr Werke aus dem Ausland als aus dem Inland. Umschlag, Genre und Verlag sollten keine Urteilskriterien sein und ein Buch sollte ganz gelesen sein vor der abschließenden Kritik.
Und dann gibt es erst einmal ein ausführliches Vorwort, das in dem bemerkenswerten Satz gipfelt: „Deutschland heute ist das gelobte Land der Literatur.“ Bevor Scheck dann erstmals zu einer Bewertung von jeweils zehn Romanen und zehn Sachbüchern kommt, stellt er die zehn meistverkauften belletristischen Werke aller Zeiten vor.
Hier steht an zweiter Stelle Tolkiens „Der Herr der Ringe“ und an späterer Stelle betont der Bücherwurm, der daheim sogar ein „Doofelregal für besonders abstruse Bücher pflegt, dezidiert, dass Fantasy völlig zu Unrecht nicht als vollwertige Literatur anerkannt sei. Als Beispiel für Spitzenwerke führt er hierzu ausdrücklich die erfolgreichste deutsche Autorin an: Cornelia Funke, deren Jugendromane er sehr schätzt.
Schließlich aber die Parade all der Beurteilungen der insgesamt 21 hier berücksichtigten „Druckfrisch“-Kritiken. Natürlich hat auch ein Vielleser wie Scheck seine absoluten Lieblingsbücher. So erklärt er Heinrich August Winklers „Geschichte des Westens, Die Zeit der Gegenwart“ zu einem Meilenstein der Sachliteratur.
Selbstverständlich sind Schecks Bewertungen bei aller Klugheit auch unverhohlen subjektiv. Wie ehrlich er gleichwohl trotzdem ist, zeigt zum Beispiel sein Verdikt zu Daniel Kehlmanns Bestseller „F“ - er verreißt den Roman, obwohl der von einem seiner ausgewiesenen Lieblingsautoren stammt.
Ein wahrer Genuss aber sind seine Verrisse ohnehin, zumal man sich immer wieder an funkelnden Formulierungen voller Esprit ergötzen kann. Wie er zum Beispiel nach den Sottisen der selbstverliebten Ruth Maria Kubitschek die schriftstellerisch stümpernde Schauspielerin als „verschwurbelte Esoterikautorin“ einordnet – Buch in die Tonne!
Da bescheinigt Scheck dem Bestsellerautor Ken Follett zu „Die Tore der Welt“, der Roman sei so aufregend wie eine Nacht im Kostümverleih. Und zu Tom Clancy fällt ihm etwas eigentlich zutiefst Widersinniges ein, denn der schreibe „Steinzeitprosa, die beweist, dass man durch Lesen auch durchaus dümmer werden kann.“
In der Liste der Autoren, die der schonungslose Kritiker regelmäßig aufspießt sind unter anderen Paulo Coelho, Sebastian Fitzek oder Jssi Adler-Olsen immer wieder dabei. Deren überaus erfolgreiche Bücher verreißt er meist nicht einfach, er macht sie regelrecht nieder. Das aber mit fundierten Argumenten wie bei Adler-Olsens „Das Alphabethaus“, dem er das vernichtende Rubrum „dämlichster Nazi-Thriller aller Zeiten“ verpasst.
Zum großen Genuss für jeden Literaturgourmet geraten im Übrigen die jeweiligen Einführungen in die Listen der einzelnen Jahre. Da führt Scheck nicht nur die große Buchpreise und literarischen Besonderheiten auf, er widmet sich auf Themen wie denen von Büchern, die Leben retten oder reich machen und warum so viele Romane Krimis sind.
Fazit: eine reich gefüllte Schatzkiste für jeden Bücherfreund, der so viel Intelligentes zu schätzen weiß, auch wenn es sich immer wieder auch hinreißend provokant bis ätzend liest.
# Denis Scheck: Schecks Bestsellerbibel; 429 Seiten, ill.; Piper Verlag, München; € 28
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)