- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Belletristik (Non-Fiction)
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OLIVER FISCHER: „MAN KANN DIE LIEBE NICHT STÄRKER ERLEBEN“
Längst ist es kein Geheimnis mehr, dass der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann (1875-1955) dem eigenen Geschlecht weit stärker zugeneigt war als dem weiblichen. Mit Ehefrau Katia und sechs gemeinsamen Kindern stand er zu Lebzeiten nach außen hin weitgehend außer jedem Verdacht und hatte zudem testamentarisch verfügt, dass seine aufschlussreichen Tagebücher erst 20 Jahre podthum veröffentlicht werden durften.
Quasi zum Auftakt des Thomas-Mann-Jahres anlässlich seines 150. Geburtstages hat nun Oliver Fischer, Journalist und Gründer der Hamburger Thomas-Mann-Gesellschaft, zur vermutlich größten Liebe des Schriftstellers eine Art Doppelbiografie verfasst.
„Man kann die Liebe nicht stärker erleben“ lautet der Titel und das erzählende Sachbuch widmet sich darin der speziellen Beziehung Manns zu dem Maler Ehrenberg (1876-1949). Wobei der Titel ein Zitat aus Manns Tagebuch von 1943 ist und die Bedeutung ahnen lässt, die diese Beziehung – so einseitig sie in sexueller Hinricht auch gewesen sein mag – für den Literaten hatte.
Der Patriziersohn aus Lübeck arbeitete 1899 als Redakteur beim Münchner „Simplicissimus“ und hatte bereits mit seinem ersten Roman „Buddenbrooks“ begonnen. Da begegnete der verklemmte und mit seiner Sexualität ringende 24-Jährige dem ein Jahr jüngeren Studenten der Tiermalerei.
Der attraktive Paul Ehrenberg beeindruckte Mann nicht nur mit seiner leichtfüßigen Unbeschwertheit – er verliebte sich intensiv in ihn. Es entwickelte sich eine innige Freundschaft, die Mann für ihn ungewohnte Verhaltensweisen bis hin zum Verfassen glühender Liebesgedichte und dem Besuch einfacher Volksbelustigungen mit Paul animierten.
Eines aber steht unzweifelhaft fest: Ehrenberg liebte Frauen und war später auch zweimal verheiratet, wie der Biograf ausführlich schildert. Ohnehin geht er im Gegensatz zu anderen Biografen ausführlich auch auf die Vita des Malers ein.
Der seinem Verehrer nicht nur deutlich intellektuell unterlegen ist, sondern auch als Künstler niue mehr als Mittelmaß erreicht und seinen alten Freund später sogar um finanzielle Hiulfe bitten muss. Ab 1933 arrangiert er sich dann mit den Nazis, während Thomas Mann ins kalifornische Exil ging, längst berühmt und wohlhabend.
Es ist hinlänglich bekannt, dass der hochangesehene Schriftsteller einerseits die große eigene Familie auch nach außen pflegte, andererseits aber auch als nun auch „normaler“ Ehemann seinen Neigungen zu jungen Männern wiederholt nachgab.
Zu welchen emotionalen und künstlerischen Höhenflügen ihn die unerfüllte Liebe allerdings in seinem Schaffen beflügelte, zeigen mehrere eindeutige Typisierungen. So benennt Oliver Fischer mehrere herausragende Charaktere wie den Hans Hansen im „Tonio Kröger“, den Rudi Schwerdtfeger in „Doktor Faustus“ und die Titelfigur von „Joseph und seine Brüder“, die dem geliebten Paul unverkennbar in ihrer Erscheinung nachempfunden sind.
Fazit: gründlich recherchiert und eben nicht nur auf den großen Literaten beschränkt, ist dieses fast romanhaft erzählte Sachbuch eine Bereicherung für das Thomas-Mann-Jahr 2025.
# Oliver Fischer: Man kann die Liebe nicht stärker erleben. Thomas Mann und Paul Ehrenberg; 301 Seite, div. Abb.; Rowohlt Verlag, Hamburg; € 26
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)