- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Belletristik (Roman/Krimi)
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GAEA SCHOETERS: „DAS GESCHENK“
„Ihr Europäer wollt uns vorschreiben, wie wir zu leben haben. Vielleicht solltet Ihr einfach mal selbst versuchen, mit Megafauna zurechtzukommen. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, Deutschland 20.000 Elefanten zu schenken“, verkündet Botswanas Präsident Tebogo.
Und wie die nun in Berlin auftauchen, das ist die skurrile Eröffnung von Gaea Schoeters' neuem Roman „Das Geschenk“. Nach ihrem phänomenalen Erfolg mit „Die Trophäe“ geht es der flämischen Autorin erneut um etwas Tierisches, diesmal aber ganz anders und ganz nah.
Wie da eines Morgens die ersten Dickhäuter in der Spree baden und bald ganze Herden für Verwirrung und Chaos sorgen, wird herrlich nüchtern und mit trockenem Humor beschrieben. Und geht natürlich umgehend in den Polit-Betrieb der Hauptstadt über.
Da hatte Bundeskanzler Winkler im Bundestag das sogenannte Elfenbein-Gesetz durchgebracht, das den Import von exotischen Jagdtrophäen beträchtlich einschränken sollte. In seiner innenpolitischen Bedeutung eher nebensächlich und vor allem dem grünen Koalitionspartner zu Gefallen initiiert.
Von ganz anderer Bedeutung jedoch für das südafrikanische Botswana, wo die immer stärker wachsenden Elefantenbestände ernsthafte Probleme durch massive Ernteschäden verursachen und sogar eine Gefahr für die Kinder auf dem Schulweg geworden sind. Deshalb nun dieses Geschenk des Präsidenten als eine Art Vergeltung.
Und die bringt im wohlgeordneten Deutschland tatsächlich alles durcheinander. Die gewaltigen Dickhäuter sind ja grundsätzlich sehr beliebt, so dass gewaltsame Maßnahmen von vornherein ausgeschlossen sind, um den Horden beizukommen.
So ein afrikanischer Elefant benötigt allerdings 100 Liter Wasser und bis zu 200 kg Futter am Tag. Was zugleich zur Produktion von riesigen Mengen Dung führt. Der wiederum die Ausschüttung invasiver Pflanzen mit sich bringt.
Bundeskanzler Winkler bildet einen Krisenstab und er ernennt Hannelore Hartmann zur Elefantenministerin. Sie macht ihrem Namen zwar alle Ehren, doch die Wirren und die Belastungen steigen dennoch täglich: „Berlin riecht wie ein Treibhaus, auf das die Sonne scheint.“ Obendrein frohlockt Holger Fuchs von der extremen Rechten, denn bald kommt der nächste Bundestagswahlkampf.
Die Polit-Maschine rotiert und die Situation gerät zunehmend außer Kontrolle. Bei aller Effektivität passiert irgendwann ein erstes größes Unglück mit Toten. Andererseits gibt es geniale Ideen zum Beispiel für die Verwendung des Elefantendungs. Aber das mit fatalen nicht nur ökologischen Folgen.
Und dann wird auch noch von der Bevölkerung verlangt, sie solle sich anpassen – die Menschen an den Elefanten, wohlgemerkt, nicht umgekehrt. Da steht das Land bald wahrlich kopf und der Frühling kommt und mit ihm die Bundestagswahl.
Schließlich kann nur noch die Drittstaatenlösung helfen: die Elefanten werden nach Ruanda abgeschoben, in einen mit deutschen Mitteln finanzierten Wildpark. In die Freude über die durch diesen Schachzug doch noch geschaffte Wiederwahl von Bundeskanzler Winkler fällt dann ein kleiner Wermutstropfen: die Meldung über Abschusslizenzen für Trophäensammler in Ruanda.
Das alles wird rasant, präzise und sehr bildhaft erzählt. Vor allem aber entfaltet es eine bitterböse Politsatire, wie man sie einst in ihrer absurden Galligkeit am ehesten von Ephraim Kishon kannte. Fazit: ein hinreißendes Lesevergnügen, das im Übrigen unbedingt verfilmt gehört.
# Gaea Schoeters: Das Geschenk (aus dem Niederländischen von Lisa Mensing); 138 Seiten; Zsolnay Verlag, Wien; € 22
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)
