- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Belletristik (Roman/Krimi)
- Zugriffe: 98


ISABELLE LEHN: „DIE SPIELERIN“
Sie steht vor Gericht in einem großen Fall von Wirtschaftskriminalität. Sie schweigt und die Presse nennt diese Frau mittleren Alters und bezeichnender Durchschnittlichkeit nur „A.“ zum Schutz ihrer Identität.
Auch im weiteren Teil des neuen Romans von Isabelle Lehn bleibt es bei A., wenn man sie nun in dieser Phase von 2004 bis 2007 kennenlernt (aber nicht wirklich!). Da arbeitet sie als subalterne Telefonistin bei der DNA (Deutsche Nachrichten Agentur). Und man ahnt nur wenig mehr als ihre Zielpersonen, was hinter ihrer Unscheinbarkeit steckt.
Die DNA steckt finanziell in der Klemme und es ist A., die auf vermeintlich naive Weise den rettenden Investor ins Spiel bringt. Spröde klare Prosa zieht in ein raffiniertes Spiel, wenn A. als Unbedarfte Joachim Oldenbrink, Snob mit Stil und Dünkel und wichtiger Berater des DNA-Chefs, geradezu untertourig an seiner Geltungssucht zupft, um sein Vertrauen zu gewinnen.
Man lernt A. gewissermaßen indirekt und von hinten aufgezäumt in homöopathischen Dosen kennen. Zugleich wird ein typischer Fall der Abzocke ausgefahren. Und erst dann, wie A. in den 90er Jahren den Absprung zur Karriere aus ihrer niedersächsischen Kleinstadt und der Sparkassenausbildung angeht.
Mit 26 macht sie den Sprung gleich ins Zentrum des Geldes: Zürich, großes seriöses Geldhaus. Als einzige, in der gesamten Erscheinung unscheinbare Frau im Pool der Investmentbanker. Zunehmend fesselt ihre so unauffällige Art, den Durchblick zu bekommen und diesen Geldhaien genau damit das Wasser abzugraben.
„A. war ein durchsichtiger Mensch. Weshalb es leicht fiel, sie zu übersehen.“ Und wie sie so unschuldig, naiv und doch so verschlagen unglaubliche Risiken eingeht in dieser nur nach außen seriösen Welt der sogenannten Bad Banks – das ist ebenso komplex wie faszinierend und dazu scharfzüngig aus weiblicher Perspektive dargestellt.
Der nächste Schritt bahnt sich jedoch schon an, denn so wie „A. genau wusste, wie man schmutzige Gewinne vor einem sauberen Gewissen versteckte“ - das bringt sie ins Blickfeld des Herrn Tancredi, Mitglied einer mächtigen Familie in Italiens Süden. A. ist nämlich die Idealbesetzung für die Mafia-Devise, dass nichts so sauber aussieht wie ordentlich versteuertes Geld.
A. agiert international und ganz luxuriös unter anderem im wild-kapitalistischen Russland der späten 90er Jahre, um dann den drastischen Schwenk in die äußerlich so graumäusige Existenz bei der DNA zu machen. Und auf der Anklagebank zu landen. Und trotzdem in einem für A. typischen Happyend zu enden.
Fazit: auch wenn man nichts von Investmentbanking versteht und sich erst etwas reinlesen muss – dieser Roman ist ein anspruchsvolles hinreißendes Lesevergnügen.
# Isabelle Lehn: Die Spielerin; 269 Seiten; S. Fischer Verlag, Frankfurt; € 25
WOLFGANG A, NIEMANN (wan/JULIUS)