- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Belletristik (Roman/Krimi)
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JAMES WILSON: „DER SCHATTEN DES MALERS“
William Turner (1775-1851) war einer der größten englischen Maler aller Zeiten. Doch der geniale Künstler war auch ein verschrobener Charakter mit manchen nie ganz geklärten Geheimnissen seiner Vita.
Eben das war für den Kunsthistoriker und Turner-Experten James Wilson Auslöser für seinen Debütroman „Der Schatten des Malers“. Darin geht er insbesondere auf die exzentrische Persönlichkeit des Malers sein.
Sein Kunstgriff ist der Auftrag einer Biografie des Malers, die der bisher ziemlich erfolglose Kollege Walter Hartright verfassen soll. Der stößt bei seinen Recherchen, bei denen ihn seine Schwägerin Marian unterstützt, auf eine höchst komplexe Vita mit Abzweigungen bis in Hafenspelunken und andere dunkle Gefilde der viktorianischen Ära.
Je mehr Hartright in die schwer zu durchschauende Lebensführung des Sonderlings eindringt, desto verwirrender erscheint vieles. Der berühmte Meister des Lichts und der Atmosphäre hatte selbst allerlei Schattenseiten, während er vor allem in seinen späten, sehr erfolgreichen Schaffensjahren zwischen den Villen und den verrufenen Gassen ein schwer zu durchschauendes Leben führte.
Walter und Marian kommen hinter erstaunliche Seiten eines verbissen gepflegten Doppellebens. Und Hartright versucht sogar, das Genie durch eigenes Imitieren zu entschlüsseln, doch Turner hütete seine Arbeitsmethoden mindestens so hartnäckig wie sein Privatleben.
So entsteht ein kontrastreiches Bild, das sinnigerweise kaum von den 'richtigen' Biografien William Turners abweicht. Da James Wilson mit großer Expertise ans Werk gegangen ist, aber auch außerordentlich detailliert auf Personen wie auch Turners Lebensumfeld und Landschaften eingeht, liest sich dieser Künstlerroman ruhig und opulent wie im Erzählstil des 19. Jahrhunderts.
Alles erfolgt in Briefen, Tagebucheinträgen und Notizen der beiden Biografen und der Lesegenuss dürfte um so größer sein, je mehr man die Kunst William Turners und ein im besten Sinne altmodische Schreibweise zu schätzen weiß. Und wem der Titel „Der Schatten des Malers“ bereits bekannt vorkommt: das Buch wurde anlässlich des 250. Geburtstags des Meisters in diesen Tagen nach über 20 Jahren neu herausgebracht.
# James Wilson: Der Schatten des Malers (Aus dem Englischen von Rita Seuß und Thomas Wellermann); 503 Seiten, Klappenbroschur; Insel Verlag, Berlin; € 18
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)
