- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Belletristik (Roman/Krimi)
- Zugriffe: 64


LEV GROSSMAN: „THE BRIGHT SWORD“
US-Autor Lev Grossman hatte seine größten Erfolge mit der Magicians-Fantasy-Reihe („Fillory“). Nun aber ist er ein Wagnis eingegangen: er verfasste den ersten Artus-Roman dieses Jahrhunderts.
Sein Originaltitel „The bright Sword“ wurde dabei in der deutschen Fassung ebenso beibehalten wie die moderne Sprachweise, die gern mal derb und auch flapsig wird. Grossman stellt im Übrigen in einem Nachwort klar, dass es die Artus-Saga seit 1400 Jahren gibt und dass sie immer wieder mit neuen Abwandlungen erzählt worden ist.
Und er weist sogar offen auch auf Anachronismen hin, die über die verschiedenen Versionen über die Jahrhunderte schon immer eingeflossen sind, egal ob in Buch- oder Filmausgaben. Allen voran die edlen Ritter in den schimmernden Rüstungen – die es wie auch die berühmten Turniere in Wirklichkeit erst im Mittelalter gab.
Auch Lev Grossman verzichtet nicht auf sie, geht aber noch viel weiter in seiner verwegenen Melange. Da gehört zum Einen Sir Palomides zu dieser Tafelrunde im 6. Jahrhundert nach Christus, ein Moslem aus Bagdad – sowohl Islam wie auch die Stadt wurden jedoch erst ein, zwei Jahrhunderte später begründet.
Zum Anderen fließen Dinge ein, die in solchen Sagen früher Tabu waren wie ein schwuler Ritter, ein Ritter mit Transgender-Problemen und auch einer mit Angstschüben und Depressionen. Das Alles aber sollte niemanden vom Lesen dieses gewaltigen Epos abhalten, wenn er die alte Faszination der Artus-Saga zu schätzen weiß.
Die aber auch ganz anders aufgezogen ist, denn alles beginnt hier mit einer noch unbekannten Hauptperson, dem 17-jährigen Callum. Als Bastard auf einer Insel nördlich Schottlands aufgewachsen, träumt der hünenhafte Jüngling mit den geschickten Händen und der berserkerhaften Schwertführung einen unmöglichen Traum: auf der fernen Burg Camelot an König Artus' Tafelrunde als Ritter aufgenommen zu werden.
Als er nach langem Ritt mit rabiaten Abenteuern endlich am Ziel eintrifft, muss er jedoch erfahren, dass er zu spät kommt. König Artus lebt nicht mehr und auch viele seiner legendären Ritter sind mit ihm in der Schlacht von Camlann umgekommen.
Die wenigen Ritter, die Callum am verwaisten Hof antrifft, sind eher solche aus der zweiten Reihe und ziemlich heruntergekommene Typen. Aber selbst gegen die hat der ungehobelte Kerl ohne Adel einen schweren Stand, anerkannt zu werden, obwohl er sich schließlich mit seinem heldenhaften Kampf gegen den sagenumwobenen Grünen Ritter einigen Respekt erwirbt.
Doch Lev Grossman hat König Artus keineswegs aus dessen eigener Saga verdrängt. Dafür sorgt schon dessen treuester Ritter Sir Bedivere – der seinem Herrn heimlich übrigens mehr als nur freundschaftliche Gefühle entgegenbrachte – in Rückblenden auf den Aufstieg und die glorreiche Geschichte des charismatischen Herrn über die britischen Königreiche.
Aber auch Artus' Halbschwester Morgan le Fay, der Druide Merlin und dessen abtrünniger Lehrling, die rebellische Zauberin Nimue – die Callum in köstlichen Szenen den Kopf verdreht – fehlen nicht. Magie, Feen, das Walten der Anderwelt und heftigste Schwertkämpfe bereichern das Ringen um die künftige Herrschaft über das von Invasoren aus dem Osten bedrohte Britannien.
„The bright Sword“ ist ein wildes Epos mit verwegenen Einfällen, aber auch manch derbem Spaß. Den vielen ohnehin historisch ungesicherten Ereignissen stehen hinreißende Zuerfindungen gegenüber, so dass sich dieses Märchen für Erwachsene mit großem Vergnügen liest und ein wenig, als ob J.R.R. Tolkien und Monty Python ihre Finger mit im Spiel gehabt hätten.
# Lev Grossman: The bright Sword (aus dem Amerikanischen von Heide Franck und Alexandra Jordan), 720 Seiten; Fischer TOR Verlag, Frankfurt; € 32
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)