- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Belletristik (Roman/Krimi)
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MICHAEL CAINE: „DEADLY GAME – DIE ABRECHNUNG“
Sir Michael Caine, Jahrgang 1933 und britische Filmlegende mit zwei Oscars, hat sich mit 90 Jahren einen lange gehegten Traum erfüllt und seinen ersten Roman geschrieben. Der ist zwar im besten Sinne 'old school', ein Altherrentraktat aber ist er ganz und gar nicht.
Ganz im Gegenteil, denn „Deadly Game – Die Abrechnung“ bietet inhaltlich sogar eine höchst zeitgemäße Geschichte und entwickelt sich bald zu einem veritablen Thriller. Was sich schon beim Einstieg ahnen lässt, denn auf einer Müllkippe im Osten Londons entdecken Arbeiter eine ominöse Kiste mit kryptischen Schriftzeichen darauf.
Bevor die Polizei den Fund sicherstellen kann, wird er von Maskierten beseitigt. Die gemeldete Beschriftung aber lässt die Alarmglocken schrillen: U-235, der Stoff für eine Atombombe, und das in einer Menge, die für eine Hiroshima-Bombe ausreicht.
Natürlich gehen sämtliche Geheimdienste auf die Pirsch nach dem brisanten Material, doch auch beim New Scotland Yard beordert Dezernent Bill Robinson ein Team zu sich, das von Harry Taylor. Der Mittvierziger und einstige Afghanistan-Kämpfer gilt mit seinem SO22-Team als Meister für unorthodoxe Methoden bei der Bekämpfung schwerer Verbrechen.
Er wird ebenso ausführlich vorgestellt wie Iris Davies, seine ebenso junge wie attraktive Kollegin und Scharfschützin, und die übrigen wenigen aber handverlesenen Ermittler. Taylors berühmter Spürsinn stößt tatsächlich bald auf interessante Verdachtsmomente. Und auf Sir Julian Smythe.
Der reiche aristokratische und dünkelhafte Kunsthändler wirkt zwar mutmaßlich als Oberboss im Drogen- und Waffenhandel, agiert aber seit jeher so clever, dass man ihm nie etwas nachweisen konnte. Und während der Härtegrad des Geschehens und die gesamte Struktur immer mehr an John Le Carré und Ian Fleming erinnert, entfaltet sich ein spannungstreibender Unterschied zu den James-Bond-Romanen.
Hier nämlich tut sich ein zweiter Oberschurke auf, ein einstiger KGB-Offizier, der längst zum Oligarchen fern der russischen Heimat aufgestiegen ist und nicht nur demselben Metier wie Smythe nachgehen soll: die Beiden gelten als Todfeinde. Zu diesem Wladimir Woldrew reist das Taylor-Team nun nach Barbados, wo er in einer protzigen Villa auf seiner eigenen Insel redisiert.
Als bestens informierter Strippenzieher schiebt der imposante Gangsterboss den Ermittlern raffiniert einige Informationen zu, weiß jedoch angeblich nur, dass es den Stoff gibt. Ansonsten bleibt er wie gewohnt unantastbar, erweitert jedoch den Kreis der Überbösewichter um einen weiteren Gegenspieler, den besonders üblen Drogenboss Ramirez, der sich eben aufschwingt zur globalen Ausweitung seines „Geschäftsfelds“.
Während Politik und Sicherheitskreise weltweit in Aufruhr sind und massive internationale Konflikte mit dem Bombenstoff befürchten, wird die SO22 als nur polizeiliche Ermittlungsgruppe von dem Fall abgezogen. Chief Robinson aber lässt Harry Taylor und sein Team „off the record“ weitermachen.
Und es taucht mit durchgeknallten Neo-Nazis von der New English Front nicht nur ein weiterer, wenn auch sich selbst überschätzender vierter Mitspieler um das U 235 auf – es kommt zu einem gigantischen Knalleffekt. Michael Caine lässt es wirklich krachen und längst ist der Roman voll auf Thriller-Drehzahl.
Es sei jedoch nur noch verraten, dass das Geschehen auf ein furioses Finale zutreibt, das ebenso filmreif ist wie die gesamte Geschichte. Michael Caine hat das Rad mit „Deadly Game – Die Abrechnung“ nicht neu erfunden, jedoch einen fulminanten Spannungsroman mit unterschwelligem trockenen Humor wie auch mit manch ernsten Grundtönen vorgelegt.
Und man kann sich ihn als Gentleman in jüngeren Jahren bestens in einer Paraderolle als sehr britischen Sir Julian Smythe vorstellen.
# Michael Cvaine: Deadly Game – Die Abrechnung (aus dem Englischen von Wolfgang Thon); 350 Seiten; Limes Verlag, München; € 24
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)