- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Belletristik (Roman/Krimi)
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PAUL RUBAN: „DER DUFT DES WALS“
Gleich mehrere Ich-Erzähler mit sehr individuellen Stimmen bietet der kanadische Autor Paul Ruban in seinem Debütroman „Der Duft des Wals“ auf. Im Mittelpunkt aber stehen Judith und Hugo mit Tochter Ava und das angestrengte Beziehungsgeflecht untereinander.
Was man intensiv begonnen hat, ist über die Jahre sehr weitgehend verblasst. Nun soll der Urlaub in einem Hotel an einem malerischen mexikanischen Ferienort dem ganzen neues Leben einhauchen. All-inclusiv samt Luxusklasse. Doch die zwischenmenschliche Atmosphäre scheint eher mau und wirkt nicht wirklich hoffnungsfroh.
Und dann das: Hugo erwacht durch ein seltsames Explosionsgeräusch. Als er nachschaut, entdeckt er auf dem Balkon und an der Hauswand Klumpen von blutigem Gelee. Am Strand dann sieht er die Katastrophe – der kolossale Kadaver eines aufgeplatzten Wals. Der einen infernalischen Geruch verströmt, stechend und ranzig.
Statt genüssliches Aalen in der Sonne und lauschige Mahlzeiten auf der Terrasse nun überall dieser spezielle „Duft“ des Wals, der sich nur mit eilends verteilten Nasenklammern halbwegs ertragen lässt. Als knirschte es nicht so schon genug zwischen dem harmoniesüchtigen Hugo und Judith, der dieser Urlaub ohnehin an sich völlig egal ist.
Ava aber, die das Zerbröseln der Familie längst durchschaut, flüchtet sich in ständiges Malen und Zeichnen, während die Eltern sich bei den Versuchen einer Annäherung – oder genau dies zu vermeiden – sich immer öfter lächerlich machen. Das wird mal bitterböse, mal herrlich sarkastisch und von entlarvender Peinlichkeit.
Doch nicht nur Hugo und Judith taumeln zwischen den Fettnäpfchen bis zu absurden Flirtversuchen und Striptease im Suff. Da ist ja auch noch die selbstkasteiende Stewardess, der gockelhafte Hotelangestellte oder ein überaus zutraulicher Nasenbär.
Das Personal dieses ebenso sarkastischen wie entlarvenden Romans sorgt für schräge Situationen zum Fremdschämen und kennt eigentlich nur ein Ergebnis: das des Scheiterns. Das Durcheinander steigert sich unaufhaltsam mit abgefeimtem Humor zum Chaos und wenn dann irgendwann der alles überlagernder Gestank weicht – wird alles noch viel schlimmer.
Ein köstlicher Roman gerade auch für den Urlaub. Und wenn der immer mit filmreifer Sitkom aufwartet – Autor Paul Ruban ist ein erfolgreicher Drehbuchautor.
# Paul Ruban: Der Duft des Wals (aus dem Französischen von Jennifer Dummer); 220 Seiten; Aufbau Verlag, Berlin; € 22
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)