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WILLIAM MARTIN: „DEZEMBER '41“

Am 7. Dezember 1941 überfiel Japan den US-Flottenstützpunkt Pearl Harbour auf Hawaii und über Nacht befanden sich die USA im Krieg. Als ein markantes Zeichen von Trotz und Widerstandswillen besteht Präsident Franklin D. Roosevelt darauf, nicht auf das traditionelle Entzünden des großen Weihnachtsbaums vorm Weißen Haus am Heiligen Abend zu verzichten.

Eine ideale Gelegenheit für einen deutschen Agenten, Roosevelt zu liquidieren und dabei sogar noch den Überraschungsgast, Großbritanniens Premierminister Winston Churchill, mit auszuschalten. Dieser verwegene Plan ist Grundlage für William Martins jüngsten Thriller „Dezember '41“ - ein hard-boiled Krimi noir ganz im Stil der 40er Jahre, nur eben mit expliziter politischer Note.

Eröffnet wird der rasant und schnörkellos geschriebene Roman mit der Rede Roosevelts am Morgen des 8. Dezembers, in der er die Amerikaner auf den Krieg einschwört. Nicht alle Bürger sind schockiert und für Martin Browning ist es der Weckruf für das, wofür er vom Reichssicherheitshauptamt in Berlin ausgebildet wurde. Am Heiligen Abend soll er seine Mission erfüllen.

Doch man lernt weitere wichtige Figuren kennen, so Kevin Cusack. Der irisch-stämmige Drehbuchleser bei Warner Bros hat soeben seine Empfehlung für „Everybody comes to Rick's“ (als „Casablanca“ ab 1942 zum Kultfilm geworden!) abgegeben. Privat geht er abends ins Deutsche Haus, ebenfalls in Los Angeles, allerdings – der vermeintliche Nazi-Sympathisant tut dies als Spion für die LAJCC, die jüdische Gemeinschaft.

Jetzt aber hat Cusack die Nase voll vom Filmbetrieb und will zu Weihnachten zurück in seine Heimat im Osten der Staaten. Wie auch das völlig abgebrannte Filmsternchen Vivian Hopewell, das trotz der Ähnlichkeit mit Marlene Dietrich kaum Chancen für sich sieht. Nicht mal das Geld für eine Fahrkarte nach Hause hat sie und so lässt sie sich auf den Vorschlag des charismatischen Martin Browning ein: aus ominösen Gründen soll sie ihn offiziell als seine Frau auf dem Luxuszug „Super Chief“ nach Chicago begleiten.

Falsche Namen und Identitäten sowie Rollen als Doppelagenten prägen das Geschehen und seine vielen überraschenden Wendungen, bei denen FBI-Agent Frank Carter einen schweren Stand hat. Und Browning ist nicht der einzige Attentäter, der sich auf den Weg nach Washington macht. Das Ehepaar Helen und Will Stauer ist überzeugt: „Sie glauben, am Heiligabend greift der Feind nicht an.“

Ohne zu viel zu verraten: Browning erweist sich als hervorragend ausgebildeter, eiskalter Agent, der als regelrechtes Chamäleon eine ganze Kette von Leichen hinter sich lässt. Und nur ein Manko hat, für das er nichts kann: er fällt vielen Leuten auf, weil er dem Film-Star Leslie Howard („Vom Winde verweht“!) sehr ähnelt. Was zuweilen fatale Folgen nach sich zieht.

Exzellent geschrieben, reißt der Thriller nicht nur wegen seiner Hochspannung mit sondern besonders auch, weil er so authentisch ist. Mit Roosevelt und Churchill die zwei größten Feinde Deutschlands auslöschen – was für ein Knaller das gewesen wäre. Die Geschichtsbücher verweisen diese Geschichte ins Reich der Fiktion. Die aber ist ein ganz großer Genuss für Thriller-Freunde und obendrein absolut filmreif.

# William Martin: Dezember '41 (aus dem Amerikanischen von Thomas Gunkel und Tobias Rothenbücher); 479 Seiten; Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg; € 24  WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)