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MAJA ILISCH: „DIE VIERTE WAND“

Fox lebt in einem Haus, das sie noch nie verlassen hat. Die meiste Zeit verbringt sie mit ihrer jüngeren Schwester Pony und dem ständig schlafenden Baby im Kinderzimmer. Unterrichtet werden die Mädchen von Hauslehrer Parker mit immer demselben stoff und jeden Jahr feiert Fox ihren elften Geburtstag.

Mit dieser höchst gleichförmigen Situation beginnt „Die vierte Wand“, der zweite Kinderroman von Maja Ilisch. Fox kennt nichts anderes, die Eltern sind streng und die gesamte Freizeit widmet sie den vielen Büchern im Haus. Allerdings – die haben allesamt nur weiße Seiten.

Um so größer ist die Überraschung, als eines Tages ein Päckchen für Fox vor der Tür abgelegt wird mit einem weiteren Buch. Dieses aber trägt nicht nur den spannenden Titel „Die Wunderkiste. Abenteuer aus aller Welt“, es stehen auch tatsächlich Buchstaben, Wörter, ganze Sätze darin, die Geschichten erzählen.

Das wühlt Fox so auf, dass sie ihre bisherige so statische Situation hinterfragt. Und endlich auch wissen will, was außerhalb des Hauses ist. Und sie findet einen Ausgang durch ein offenes Fenster im Musikzimmer. Womit nun ein verwirrendes Abenteuer seinen Lauf nimmt, das voller Überraschungen ist.

Da gibt es offenbar andere Versionen ihres Hauses, Häuser wie die bekannten Puppen in der Puppe, alle ganz ähnlich und doch anders. In einem von ihnen begegnet sie dem Jungen Corey, der in seinem ganz allein lebt. Was er völlig normal findet, zumal er dabei ist, ein Buch zu schreiben.

Doch auch die Rückkehr in ihr bisher gewohntes Haus verblüfft und weicht von der ewigen Routine, die sie seit jeher kennt, stark ab. Vor allem sind ihre Eltern nicht hier und verbreiten keine Freudlosigkeit mehr. Und immer mehr wandelt die Geschichte zwischen Fantasie und Wirklichkeit und wird immer philosophischer und rätselhafter.

Doch es soll hier nicht zu viel verraten werden von dem geheimnisvollen Verlauf, der viel zum Nachdenken birgt und in seiner Ungewissheit sogar einen gewissen Grusel verbreitet. Fazit: dieses Buch eröffnet ein dezent fesselndes Gedankenexperiment, ungewöhnlich und tiefgründig, für junge Leser ab etwa zehn Jahre, die genau das zu schätzen wissen.

# Maja Ilisch: Die vierte Wand; 239 Seiten; Oetinger Verlag, Hamburg; € 16

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)